ZARA Filiale kein eigenständiger Betrieb

Sozialauswahl nicht auf eine Filiale beschränkbar, Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde in Elternzeit bei weiterer Kündigung verbraucht.
Arbeitsgericht Köln, Urt. v. 10.10.2019 – 8 Ca 4258/19

Das Einzelhandelsunternehmen ZARA betrieb im Stadtgebiet Köln ursprünglich drei Filialen Ehrenstr., Schildergasse und Rheincenter. Die Klägerin wurde von ZARA in allen drei Filialen beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiterin. Während der Elternzeit musste die Klägerin als alleinerziehende Mutter mit Unterstützung von Frau Rechtsanwältin Dzerek zunächst ihren Anspruch auf eine Teilzeittätigkeit in der Elternzeit im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens erfolgreich geltend machen. Die Klägerin wollte nicht auf Kosten des Staates leben, sondern für sich und ihr Kind selbständig sorgen. In Anbetracht des Ausbaus der Filiale Schildergasse traf ZARA sodann die Entscheidung, die Filiale Ehrenstr. zu schließen. Obwohl ZARA sich im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens in Kenntnis der anstehenden Schließung der Filiale Ehrenstr. verpflichtet hatte, die Klägerin während der Elternzeit in Teilzeit zu beschäftigen, sprach sie ihr dennoch eine Änderungskündigung aus, nachdem die Bezirksregierung Köln dem Ausspruch der Änderungskündigung zugestimmt hatte. Die alleinerziehende Mutter in Elternzeit sollte nun anstatt mit 30 Stunden in Köln nur noch mit 15 Stunden in Düsseldorf beschäftigt werden. Hiergegen wehrte sich die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Köln erfolgreich. Bereits im Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.05.2019 – 11 Ca 1031/19 führte das Gericht aus, dass u.a. die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen war.

Unmittelbar im Nachgang der Entscheidung der 11. Kammer vom 16.05.2019 beantragte ZARA bei der Bezirksregierung Köln eine weitere Zustimmung zu einer Änderungskündigung, wonach die Klägerin als alleinerziehende Mutter trotz freier Arbeitsplätze in Köln nun aber in Karlsruhe beschäftigt werden sollte. Zur Sozialauswahl teilte ZARA mit, dass sie nun zwei Vergleichsgruppen gebildet hatte. In die Vergleichsgruppe 1 habe sie „alle in der Filiale Köln Ehrenstr. beschäftigten Manager“ aufgeführt und in der Vergleichsgruppe 2 habe sie „alle weiteren Mitarbeiter der Filiale Ehrenstr.“ erfasst. ZARA ordnete neben der Klägerin nur noch die Filialleiterin der Vergleichsgruppe 1 zu. Die freien Arbeitsplätze sollten nur den Mitarbeitern aus der Vergleichsgruppe 2 angeboten werden.

Die Bezirksregierung Köln verwies ZARA darauf, dass bei gleichem Sachverhalt ein erneuter Zustimmungsantrag nicht erforderlich sei. Auf Nachfrage der Bezirksregierung Köln, ob eine andere Rechtsauffassung bei ZARA besteht, nahm diese den Antrag auf Zustimmung zu einer Änderungskündigung mit der Beschäftigung in Karlsruhe zurück. ZARA sprach sodann eine zweite Änderungskündigung aus, wonach die Klägerin ihre Arbeit in Karlsruhe fortzusetzen hatte.

Dagegen wehrte sich die von Rechtsanwältin Dzerek vertretene, langjährige Mitarbeiterin erneut mit Erfolg. Sie lehnte das Änderungsangebot mit einer Beschäftigung in Karlsruhe angesichts der freien Arbeitsplätze in Köln zu Recht ab. In der von Rechtsanwältin Dzerek erstrittenen Entscheidung erklärt das Arbeitsgericht Köln die von ZARA ausgesprochene Änderungskündigung von Köln nach Karlsruhe als „offensichtlich rechtsunwirksam“ und stellt fest, dass es „an nahezu sämtlichen Erfordernissen einer betriebsbedingten Änderungskündigung“ fehlt.

Das Arbeitsgericht Köln entschied, dass u.a. die Durchführung der Sozialauswahl offensichtlich rechtsunwirksam war. Die Bildung der Vergleichsgruppen mit und ohne Managerfunktion war willkürlich und nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar, so das Arbeitsgericht Köln. Einen signifikanten Unterschied zwischen der Klägerin und der Filialleiterin auf der einen Seite und sämtlichen anderen, wiederum untereinander vergleichbaren Arbeitnehmern auf der anderen Seite, gab es nicht und war auch für das Arbeitsgericht Köln nicht im Ansatz ersichtlich.

Das Arbeitsgericht Köln führte aber weiter aus, dass die Sozialauswahl auch deswegen fehlerhaft war, weil ZARA die Sozialauswahl allein auf die Mitarbeiter der vermeintlich eigenständigen Filiale Köln Ehrenstr. beschränkt hat. Das Arbeitsgericht Köln stellte fest, dass es sich bei der Filiale Köln Ehrenstr. aber nicht um einen eigenständigen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes handelte. Für die Frage des Betriebsbegriffs ist maßgeblich auf die Frage der tatsächlichen Leitungsmacht in personellen Angelegenheiten abzustellen. In der Regel wird bei Filial-Einzelunternehmen auf die Ebene der Regionalleitung und der dieser zugeordneten Filialen abgestellt, so dass die Sozialauswahl alle dieser zugeordneten Filialen umfassen muss. ZARA hatte die Filialleitung Ehrenstr. nicht mit eigenständigen Kompetenzen ausgestattet. Ganz im Gegenteil hat ZARA eine Vergleichsgruppe 1 gegründet und dieser die Filialleitung und die Klägerin als Abteilungsleiterin zugeordnet. Damit hat ZARA selbst belegt, dass sie die Filialleitung mit der Abteilungsleiterin für vergleichbar hält und der Abteilungsleiterin unstreitig keine personelle Leitungsmacht oblag. Somit konnte ZARA die Sozialauswahl nicht auf die Filiale Köln Ehrenstr. beschränken, da es sich bei dieser Filiale um keinen eigenständigen Betrieb handelte.

Weitergehend führt das Arbeitsgericht Köln aus, dass die erneute Einholung der Zustimmung der Bezirksregierung nach § 18 BEEG nicht entbehrlich war. Denn es handelte sich bei der 1. und der 2. Änderungskündigung nicht um einen identischen Kündigungssachverhalt. Bei der 1. Änderungskündigung ging es um eine verhältnismäßig wohnortnahe Beschäftigung in Düsseldorf mit u.a. einer erheblichen Reduzierung des Beschäftigungsumfanges als Verkäuferin. Die 2. Änderungskündigung beinhaltete ein nahezu gegenteiliges Änderungsangebot, nämlich eine Beschäftigung in Vollzeit bei gleichbleibender Tätigkeit als Abteilungsleiterin und einer deutlichen Veränderung des Arbeitsortes in Karlsruhe. Zudem bestätigte die nach geänderten Kriterien durchgeführte Sozialauswahl, dass es sich keineswegs um einen identischen Kündigungssachverhalt handelte. Das Arbeitsgericht Köln konnte nicht im Ansatz von einem einheitlichen Kündigungssachverhalt sprechen. Das Risiko der fehlerhaften Rechtsauffassung der Bezirksregierung Köln, auf dessen Mitteilung ZARA den Antrag auf Zustimmung zurücknahm, ging zu Lasten der Arbeitgeberin.

Das rechtskräftige Urteil ist im Ergebnis über den Einzelfall hinaus bedeutsam. Es verdeutlicht noch einmal die Kriterien einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl bei einem Filialverbund als auch die Kriterien eines identischen Kündigungssachverhaltes im Zusammenhang der Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde nach § 18 BEEG.

Bei einer Filialschließung stellt sich nicht nur für den Arbeitgeber, sondern insbesondere für den betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig die Frage, ob in einem Filialverbund woanders eine Weiterbeschäftigung möglich ist und ebenso bedeutsam, ob der betroffene Arbeitnehmer einen sozial höheren Schutz als seine Kolleginnen und Kollegen genießt. Damit einher geht die Frage, wer von den Mitarbeitern in den zu prüfenden Kreis einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl einzubeziehen ist. Die richtige und fundierte Prüfung nicht nur der durchgeführten Sozialauswahl, sondern auch der weiteren einzuhaltenden Formalia bei der Schließung von einzelnen Filialen sowie der zugunsten von Mitarbeitern bestehenden Sonderkündigungsschutzvorschriften kann über den Erhalt oder Verlust der Existenzgrundlage entscheiden. In dem hiesigen Fall konnte Frau Rechtsanwältin Dzerek den Arbeitsplatz der alleinerziehenden Mutter als Abteilungsleiterin in Köln sichern.

Unsere Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht berät Arbeitgeber und Betriebsräte bei der Erstellung gerichtsfester Sozialpläne. Sie prüft für Arbeitnehmer, die von Sozialplänen, Kündigungen und Versetzungen betroffen sind, auf der Basis breiter Erfahrung, ob die vom Arbeitgeber benannten Gründe tatsächlich gerichtsfest sind. Fragen Sie uns gerne an.