ZARA: Anhörung des Betriebsrats per E-Mail

Anhörung des Betriebsrats per E-Mail außerhalb der Arbeitszeit nicht fristauslösend;
Keine Pflicht der Betriebsratsvorsitzenden nach Treu und Glauben während CORONA-Zeiten auf Anhörung zu warten

ArbG Bonn, Urt. v. 03.02.2021; 5 Ca 2314/20

Das Einzelhandelsunternehmen ZARA betreibt in Bonn eine Filiale. ZARA hat unter Vorgabe einer dauerhaften Schließung einen Interessenausgleich und einen Sozialplan mit dem Betriebsrat geschlossen. Dabei wurden freie Arbeitsplätze u.a. in den Filialen in Köln Schildergasse und Rheincenter, Köln Weiden ausgewiesen. Der langjährig beschäftigten Klägerin mit einer Teilzeittätigkeit von 25 Stunden/Woche wurde ein solcher Arbeitsplatz in einer der nächsten Filiale in Köln allerdings nicht angeboten. Im Wege einer Änderungskündigung vom 31.10.2020 wurde ihr anstatt dessen ein Arbeitsplatz in Düsseldorf angeboten, welchen die Klägerin ablehnte.

Die Klägerin wehrte sich erfolgreich gegen die Änderungskündigung mit Hilfe von Frau Rechtsanwältin Dzerek. Das Arbeitsgericht Bonn folgte der Argumentation der Klägerin und entschied, dass die Änderungskündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöste, weil die Kündigung vor Ablauf der einwöchigen Anhörungsfrist erklärt wurde.

ZARA hatte nach eigenem Vortrag die Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung der Klägerin am Freitag, den 23.10.2020 um 18:45 Uhr per E-Mail an die allgemeine E-Mail-Adresse des Betriebsrats eingeleitet. Für die Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertretung war keine E-Mail-Adresse eingerichtet. Nach dem Vortrag der Arbeitgeberin sandte diese die Anhörung an die allgemeine E-Mail-Adresse des Betriebsrats zu einem Zeitpunkt, in dem weder die Betriebsratsvorsitzende, ihre Stellvertretung noch ein anderes Betriebsratsmitglied Dienst hatte und demnach kein Betriebsratsmitglied im Hause war. Einen Zugangsnachweis erbrachte ZARA in dem Verfahren nicht. Hierauf kam es in dem Verfahren aber auch nicht an.

Die Arbeitgeberin drang mit ihrem Argument nicht durch, wonach die Übersendung der Anhörung per E-Mail zwar nach Beendigung der Sitzung des Betriebsrats und nach Dienstschluss der Betriebsratsvorsitzenden und letztlich sämtlicher Betriebsratsmitglieder, aber noch während der Geschäftszeiten von 08:00 bis 20:00 Uhr erfolgte. Ebenso wenig überzeugte ZARA das Arbeitsgericht Bonn mit dem Argument, dass es der Betriebsratsvorsitzenden während der CORONA-Zeiten gestattet war, ihre Aufgaben als solche auch außerhalb des Betriebs mobil wahrzunehmen und der Betriebsratsvorsitzenden nach der Behauptung von ZARA angekündigt worden sei, dass die Übermittlung einer Anhörung beabsichtigt sei.

Das Arbeitsgericht Bonn entschied, dass zur Entgegennahme von Anhörungen die Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertreterin berechtigt waren. Bei dem Zugang der E-Mail stützte sich das Arbeitsgericht Bonn auf die Regelung des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach eine verkörperte Erklärung unter Abwesenden zugeht, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Ob diese Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, richtet sich nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“.

Das Arbeitsgericht Bonn sieht die Arbeitgeberin aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit in der Pflicht, durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen dafür zur sorgen, dass die Betriebsratsmitglieder in ihrer Amtseigenschaft regelmäßig nur während der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden. Danach war das Anhörungsverfahren unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich nur während der Arbeitszeit des für die Vertretung des Betriebsrats zuständigen Betriebsratsmitgliedes einzuleiten. Eine Pflicht der Betriebsratsvorsitzenden oder ihrer Stellvertretung außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb der Betriebsräume Mitteilungen im Sinne des § 102 BetrVG entgegenzunehmen, besteht nicht.

Eine Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand danach weder für die Betriebsratsvorsitzende noch für ihre Stellvertretung am 23.10.2020 um 18:45 Uhr, die sich zu diesem Zeitpunkt weder im Dienst noch im Hause von ZARA befanden.

Selbst wenn es der Betriebsratsvorsitzenden in der CORONA-Zeit gestattet war, ihre Betriebsratstätigkeit auch außerhalb des Betriebs mobil wahrzunehmen und sie für die Arbeitgeberin stets telefonisch oder per E-Mail erreichbar gewesen sein sollte, konnte die Arbeitgeberin mangels konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte nicht damit rechnen, dass die Betriebsratsvorsitzende auch am 23.10.2020 außerhalb ihrer Arbeitszeit, während der Geschäftszeiten der Filiale Betriebsratstätigkeit wahrnahm, so das Arbeitsgericht Bonn. Denn die Filialöffnungszeiten erstrecken sich auf 60 Stunden/Woche, während die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit 37,5 Stunden/Woche beträgt. Danach war für ZARA erkennbar, dass die Betriebsratsvorsitzende nicht während der gesamten Öffnungszeiten der Filiale erreichbar sein würde. ZARA konnte daher nicht annehmen, dass eine E-Mail-Nachricht, die an einem Freitag um 18:45 Uhr an der E-Mail Adresse des Betriebsrats eingeht, noch an diesem Tag unter gewöhnlichen Umständen von der Betriebsratsvorsitzenden oder ihrer Stellvertreterin, die an diesem Tag planmäßig dienstfrei hatte, zur Kenntnis genommen werden würde. Schon aufgrund der erheblichen Abweichungen des Umfangs der regelmäßigen Geschäftsöffnungszeiten der Filiale vom Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit konnte ZARA nicht damit rechnen, dass auf elektronischem Wege übersandte Erklärungen und Informationen während der Geschäftszeiten regelmäßig auch noch um 18:45 Uhr abgerufen und gelesen werden würden, so das Arbeitsgericht Bonn.

ZARA konnte auch nicht darauf bauen, dass sich die Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertretung rund um die Uhr zur Entgegennahme von etwaigen Anhörungen bereithielten, selbst wenn – wie nicht – eine Ankündigung zur Übermittlung einer Anhörung erfolgt sei.

Die Arbeitgeberin hatte kein zumutbares Zeitfenster genannt, innerhalb dessen die Betriebsratsvorsitzende mit einer Zuleitung einer Anhörung rechnen konnte. Auch hat die Betriebsratsvorsitzende weder eine Verpflichtung oder eine Obliegenheit aus Treu und Glauben auf eine Zuleitung warten zu müssen, wie es ZARA annahm. Dies hieße, dass die Betriebsratsvorsitzende in dem Fall bis spätestens 24:00 Uhr hätte warten müssen, was mit der zum Ausdruck kommenden Wertung in § 5 Abs. 1 ArbZG nicht vereinbar ist.

Das – bisher noch nicht rechtskräftige – Urteil ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam. In einer Zeit der geforderten ständigen Erreichbarkeit, der Ausweitung von Ladenöffnungszeiten, werden Grenzen aufgezeigt. Nicht der Betriebsrat muss sich durch die jeweilige Vorsitzende/den jeweiligen Vorsitzenden nebst Stellvertretung so organisieren, dass eine ständige Erreichbarkeit für den Arbeitgeber gewährleistet sein muss. Es obliegt vielemehr dem Arbeitgeber, sich insbesondere bei fristauslösenden Maßnahmen entsprechend zu organisieren, eine Abwälzung auf den Betriebsrat durch die Forderung einer ständigen Erreichbarkeit ist nicht möglich. Die Nachlässigkeit der Arbeitgeberin hat in dem hiesigen Fall mit Unterstützung von Frau Rechtsanwältin Dzerek zur Sicherung des Arbeitsverhältnisses geführt.

Falls Sie Fragen zu Ihrem konkreten Fall haben, sprechen Sie uns gerne an und vereinbaren einen persönlichen Beratungstermin. Unsere Fachanwaltskanzlei berät Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsräte.