Whats-App Chat als Kündigungsgrund?

Herabwürdigende Äußerungen in WhatsApp Chat kein Kündigungsgrund;
LAG Berlin – Brandenburg v. 19.07.2021 – 21 Sa 291/20; Pressemitteilung 34/21 v. 20.09.2021

Der Kläger ist technischer Leiter eines gemeinnützigen Vereins. Der Verein ist überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätig. Zu den Vereinsmitgliedern zählen der Landkreis, verschiedene Städte und Gemeinden, weitere Vereine. Unterstützt wird die Arbeit des Vereins in einem großen Umfang durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Der Verein erhielt im Zusammenhang mit der Kündigung eines weiteren Beschäftigten Kenntnis über einen privaten Whats-App Chat des Klägers mit diesem und einem weiteren Beschäftigten. Darin äußerten sich sowohl der Kläger als auch die beiden Beschäftigten in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helferinnen und Helfer. Hierüber hatte auch die Presse berichtet. Der Verein kündigte u.a. das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist.

Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung in erster Instanz für unwirksam. Das LAG Berlin -Brandenburg bestätigte das erstinstanzliche Urteil, ließ jedoch die Revision zum BAG zu.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die getätigten Äußerungen des Klägers aus der privaten Whats-App Gruppe in dem Gerichtsverfahren zulässig verwertet werden dürfen. Eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten des technischen Leiters, die zur Rechtfertigung der Kündigung vorliegen muss, kann das LAG Berlin -Brandenburg hingegen nicht feststellen. Denn die vertrauliche Kommunikation in der kleinen Whats-App Gruppe von drei Personen mit privaten Mobilfunkgeräten unterliegt dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Äußerungen waren für das Gericht damit erkennbar nicht auf die Weitergabe an Dritte gerichtet und unterlagen der Vertraulichkeit.

Auf dieser Grundlage vermochte das Gericht weder eine fehlende Eignung des Klägers für die Tätigkeit als technischer Leiter in dem gemeinnützigen Verein noch das Bestehen besonderer Loyalitätspflichten feststellen. Denn der Kläger nahm als technischer Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahr. Das LAG Berlin-Brandenburg nahm nicht an, dass es dem Kläger an einem erforderlichen Mindestmaß an Verfassungstreue fehlte, die bedeutsam ist, wenn der gemeinnützige Verein als Teil des öffentlichen Dienstes gesehen wird.

Die Voraussetzungen zur wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers waren nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg nicht erfüllt, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung daher nicht beendet. Doch löste das LAG Berlin-Brandenburg das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem gemeinnützigen Verein, auf Antrag des Letzteren, gegen Zahlung einer Abfindung selbst auf. Eine gerichtliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist in einem engen gesetzlichen Rahmen ausnahmsweise möglich. Das Gericht erwartete für die Zukunft zwischen den Parteien keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit. Da die menschenverachtenden Äußerungen des Klägers öffentlich bekannt wurden, kann der gemeinnützige Verein bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gegenüber geflüchteten Menschen nicht mehr glaubwürdig auftreten, so das LAG Berlin-Brandenburg. Zudem sieht es den Verein bei der Gewinnung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer sowie hauptamtlichen Personals beeinträchtigt. Bei der Bemessung der Abfindungshöhe berücksichtigte das LAG Berlin- Brandenburg sowohl das Auflösungsverschulden des Klägers als auch die Vertraulichkeit seiner Äußerungen.

Soziale Medien wie Facebook, Whats-App und andere spielen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen und arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen zunehmend eine immer größere Rolle. Unangemessene Äußerungen eines Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber zur wirksamen Begründung einer Kündigung nicht ohne Weiteres heranziehen. Dies insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Äußerung in einem vertraulichen Rahmen getätigt hat. Wann aber die Grenzen der vertraulichen Kommunikation überschritten sind, ist m Einzelfall zu beurteilen.

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