Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

BAG, Pressemitteilung 35/22 v. 13.09.2022

Sachverhalt:

Die beteiligten Arbeitgeberinnen betreiben eine vollstationäre Wohneinrichtung im Rahmen einer Eingliederungshilfe als gemeinsamen Betrieb. Mit dem Betriebsrat schlossen sie im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zudem verhandelten der Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Sie erzielten keine Einigung. Daher leitete der Betriebsrat nach Abbruch der Verhandlungen ein Beschlussverfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein.

Nachdem eine Einigungsstelle gerichtlich eingesetzt wurde, rügten die Arbeitgeberinnen die Zuständigkeit der Einigungsstelle. Sie vertraten den Standpunkt, dass bei Einführung einer technischen Einrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Initiativrecht des Betriebsrates nicht besteht. Das Einigungsstellenverfahren wurde zur Klärung ausgesetzt. Der Betriebsrat beantragte sodann die gerichtliche Feststellung, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung des elektrischen Zeiterfassungssystems zusteht.

Verfahrensgang:

Das Arbeitsgericht Minden hat den Antrag des Betriebsrates abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamm erachtete die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrates als begründet und bestätigte den Antrag. Die Arbeitgeberinnen legten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamm Rechtsbeschwerde ein und hatten vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.

Aus der Pressemitteilung:

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1, Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Der Arbeitgeber wird bei unionsrechtskonformer Auslegung durch die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG zur Erfassung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer verpflichtet, so das Bundesarbeitsgericht. Denn § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG regelt, dass der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes, die in § 3 Abs. 1 ArbSchG aufgeführt werden, unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen hat. Danach ist ein – ggf. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung ausgeschlossen.

Fazit und Kommentar:

Der Betriebsrat hat in der Folge zwar kein Initiativ-, aber zumindest ein Mitbestimmungsrecht. In den Betrieben wurden bislang die Überstunden und Sonntagsarbeit regelmäßig zeitlich erfasst. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zufolge reicht dies aber nicht aus. Denn jeder Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit aller Beschäftigten zu erfassen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat erhebliche – auch praktische – Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse, insbesondere auf solche mit Vertrauensarbeitszeit, mobilem Arbeiten oder im Homeoffice. Arbeitgeber werden in den kommenden Wochen über eine angemessene Umsetzung in ihren Betrieben und Unternehmen entscheiden müssen.

Sprechen Sie uns als Fachkanzlei für Arbeitsrecht bei Fragen zu dem Thema Arbeitszeiterfassung jederzeit gerne an und vereinbaren Sie einen persönlichen Beratungstermin.

Silvana Dzerek

Fachanwältin für Arbeitsrecht