Keine Diskriminierung bei Kündigung eines Schwerbehinderten in der Probezeit ohne Durchführung eines Präventionsverfahrens

BAG Urt. v. 21.04.2016, Az 8 AZR 402/14; Pressemitteilung

Das beklagte Land beschäftigte die Klägerin seit dem 01.10.2012 als Leiterin der Organisationseinheit Qualitätsmanagement/Controlling im Landeskriminalamt. Die Klägerin verfügt über einen Grad der Behinderung von 50. Die Beklagte kündigte die Klägerin innerhalb der vertraglich vereinbarten Probezeit. Die Klägerin hat die Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen, sie machte aber geltend, dass sie wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert wurde. Sie verlangte von der Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG dafür, dass diese kein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt und ihr damit die Möglichkeit genommen hat, etwaige behinderungsbedingte Fehlleistungen zu beheben. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass das Präventionsverfahren eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für Schwerbehinderte sei. Das Präventionsverfahren sei zudem auch eine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne von Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des Art. 5 der Richtlinie 200/78/EG.

Verfahrensgang:

Die Klägerin blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg.

Aus der Pressemitteilung:

Das BAG hat entschieden, dass die Klägerin gegen das beklagte Land keinen Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung hat. Der Arbeitgeber ist innerhalb der ersten sechs Monate, die im Kündigungsschutzgesetz als Wartezeit ausgestaltet sind, nicht verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Das Präventionsverfahren nach § 84 SGB IX stellt keine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne des Art. 2 UN-BRK und des Art. 5- der Richtlinie 200/78/EG dar.

Fazit und Kommentar:

Bei Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit schwerbehinderten Menschen, die zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen, muss der Arbeitgeber Präventionsmaßnahmen nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchführen. Eine ohne Berücksichtigung dieser Präventionsmaßnahmen ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Feststeht, dass dies nicht innerhalb der ersten sechs Monate gilt. In dieser Zeit findet auch das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Eine ohne vorherige Präventionsmaßnahme ausgesprochene Kündigung in der Probezeit indiziert vor diesem Hintergrund auch keine entschädigungspflichtige Diskriminierung wegen Behinderung.

Silvana Dzerek

Fachanwältin für Arbeitsrecht