Volkswagen AG muss Vergütungsdifferenzen an freigestellte Betriebsratsmitglieder zahlen

PM v. 06.07.2023, ArbG Braunschweig  v. 05.07.2023  – 3 Ca 138/23 & 3 Ca 132/32

 

Sachverhalt:

Arbeitgeberin ist die Volkswagen AG. Diese hat ausgelöst durch das BGH-Urteil vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22 bei zwei freigestellten Betriebsratsmitgliedern Gehaltskürzungen vorgenommen. In dem vorbenannten Urteil hatte der BGH entschieden, dass der objektive Tatbestand der Untreue erfüllt sein kann, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot,  § 78 Satz 2 BetrVG, einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt.

In dem ersten Fall (3 Ca 138/23) erzielte das freigestellte Betriebsratsmitglied zuletzt eine Vergütung nach der Entgeltstufe 20. Im Jahr 2002 war das freigestellte Betriebsratsmitglied bei Übernahme des Betriebsratsamtes in die Entgeltstufe 13 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages eingruppiert. Die Arbeitgeberin nahm auf Basis einer Vergleichsgruppenbetrachtung mit Wirkung ab Oktober 2022 eine Rückstufung in die Entgeltgruppe 18 vor. Durch die benannte BGH-Entscheidung sei sie zu einer strengen Vergleichsgruppenbetrachtung gezwungen. Hierdurch verringerte sich die Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds um rund 640,00 Euro brutto.

Das freigestellte Betriebsratsmitglied monierte, dass die Vergleichsgruppenbildung nicht nachvollziehbar war. Zudem wandte er ein, dass ihm im Jahr 2015 eine Stelle angeboten wurde, die eine Vergütungsentwicklung unstreitig bis zumindest in die Entgeltstufe 20 beinhaltete.

In dem zweiten Fall (3 Ca 132/32) wurde das freigestellte Betriebsratsmitglied Ende 2016 noch vor Übernahme des Betriebsratsamtes im Mai 2017 von der Entgeltstufe 12 in die Entgeltstufe 13 höhergruppiert. Auch hier nahm die Arbeitgeberin eine Rückgruppierung in die Entgeltstufe 12 ab Oktober 2022 vor. Dadurch verringerte sich das Gehalt des freigestellten Betriebsratsmitglieds um monatlich rund 280,00 Euro brutto. Die Arbeitgeberin begründete die Rückgruppierung damit, dass die Höhergruppierung Ende 2016 in die Entgeltstufe 13 im unmittelbaren Zusammenhang mit der Amtsübernahme erfolgt sei und seine Tätigkeit nicht erkennbar geändert wurde.

Das freigestellte Betriebsratsmitglied wandte ein, dass sein Tätigkeitsbereich im April 2016 erweitert wurde und aus diesem Grund die Höhergruppierung erfolgte.

Die Betriebsratsmitglieder setzten sich jeweils beide gegen die Rückgruppierung zur Wehr.

Verfahrensgang:

Beide Kläger machten die jeweiligen Vergütungsdifferenzen vor dem ArbG Braunschweig geltend und obsiegten. In dem ersten Fall ließ das ArbG Braunschweig lin der Sache die Berufung zu.

Aus der Pressemitteilung:

In dem ersten Fall führte das ArbG Braunschweig aus, dass die BGH-Entscheidung vom 10.01.2023 der Berücksichtigung des Stellenangebotes unter dem Gesichtspunkt einer „hypothetischen Karriere“ nicht entgegensteht. Denn es handelte sich um eine tatsächlich zu besetzende Stelle, für die sich der Kläger nicht aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit, sondern aufgrund der zuvor übertragenen Aufgaben und den gezeigten Leistungen qualifiziert hat. Der Kläger hatte die Stelle abgelehnt, weil er kurz zuvor im Betriebsrat eine Funktion übernommen hatte.

In dem zweiten Fall konnte die beklagte Arbeitgeberin dem Einwand des Klägers betreffend die Übernahme zusätzlicher Aufgaben nach Auffassung des ArbG Braunschweig nicht ausreichend entgegentreten.

 Fazit und Kommentar:

Vorliegend hat das ArbG Braunschweig den Klägern die Vergütungsdifferenzen zu Recht zugesprochen und ihr Entgelt gesichert. In der Praxis wird das Thema Entgeltsicherung freigestellter Betriebsratsmitglieder häufig vernachlässigt, was erhebliche Kostenfolgen haben kann. Um die Frage der betriebsüblichen Weiterentwicklung ohne Anstrengung eines streitigen Verfahrens zu klären, empfiehlt es sich, die Betriebsüblichkeit im Wege von Regelungsvereinbarungen zu definieren und Vergleichspersonen festzulegen. Gerne stehen wir unterstützend zur Seite. Sprechen Sie uns hierzu an und vereinbaren Sie einen Termin in unserem Büro.

Silvana Dzerek

Fachanwältin für Arbeitsrecht