Kein Ausschluss von Entgeltfortzahlungsanspruch bei Quarantäne

ArbG Aachen Urt. v. 30.03.2021, Az 1 Ca 3196/20

Der langjährig beschäftigte Arbeitnehmer wurde von seinem Arzt im Mai 2020 wegen Kopf- und Magenschmerzen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arzt führte zudem einen Covid-Test 19 durch und zeigte dies dem zuständigen Gesundheitsamt an. Das Gesundheitsamt ordnete gegenüber dem Kläger sodann Quarantäne an. Das Testergebnis fiel im Nachgang negativ aus.

Die Arbeitgeberin zahlte gegenüber dem Kläger das Entgelt zunächst fort. Nachdem sie aber Kenntnis von der Quarantäneanordnung erhielt, zog sie die Entgeltfortzahlung von der folgenden Abrechnung wieder ab und leistete anstatt dessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz, die geringer als die Entgeltfortzahlung ausfiel. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung verdrängt wird und somit entfällt, wenn eine Erkrankung und eine Quarantäne zusammentreffen.

Verfahrensgang:

Der Kläger hatte mit der Geltendmachung des sich nach der Rückrechnung ergebenden Differenzbetrages vor dem Arbeitsgericht Aachen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Arbeitsgericht Aachen entschied, dass die angeordnete Quarantäne den Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers nach § 3 EFZG nicht ausschloss. Die Arbeitsunfähigkeit muss als einzige Ursache den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs bedingen, der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf somit nicht bereits auf Grund anderer Ursachen entfallen sein. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt demnach voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. Der Arzt des Klägers hatte die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der bestehenden Kopf- und Magenschmerzen festgestellt. Die Voraussetzungen für den Entgeltfortzahlungsanspruch sah das Arbeitsgericht Aachen als erfüllt an. Die Quarantäne stand dem nicht entgegen. Die angeordnete Quarantäne bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Erbringung der Arbeitsleistung in jedem Fall unmöglich ist und im Gegenzug der Vergütungsanspruch entfällt. Dies insbesondere bei Berücksichtigung des Umstandes, dass die Arbeitsleistung aus dem Homeoffice erbracht werden kann.

Demgegenüber kommt der subsidiäre Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz auch nur für Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige, die infolge einer infektionsschutzrechtlichen Maßnahme einen Verdienstausfall erleiden, zum Tragen, nicht aber bei Kranken. Kranke sind aus dem Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz ausgenommen. Einen solchen Fall sah das Arbeitsgericht Aachen im Falle des arbeitsunfähig erkrankten Klägers nicht begründet.  Somit kommt der Kläger aufgrund der vorrangigen Regelung des § 3 EFZG im Verhältnis zu der Regelung des § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz seinen Entgeltfortzahlungsanspruch zugesprochen.