Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Zehn Fragen und Antworten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Covid-19 ist hoch ansteckend und betrifft alle Bevölkerungsteile. Es gilt daher das Infektionsgeschehen weiterhin wirksam zu bekämpfen. Das Ziel ist es, besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen, Krankenhäuser zu entlasten und die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Während die allgemeine Impfpflicht noch diskutiert wird, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention im Bereich des Gesundheitswesens eine einrichtungsbezogene Nachweispflicht geregelt. Diese einrichtungsbezogene Nachweispflicht regelt eine Verpflichtung zur Vorlage eines Immunitätsnachweises und wird als einrichtungsbezogene „Impfpflicht“ verstanden. Denn mittels der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht soll die Impfquote im Bereich des Gesundheitswesens kurzfristig gesteigert werden.  Die einrichtungsbezogene Nachweispflicht wirft jedoch viele Fragen auf.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10.02.2022, 1 BvR 2649/21 einen Eilantrag zur Außervollzugsetzung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht nach § 20 a IfSG abgelehnt. Die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht hält das Bundesverfassungsgericht zu dem jetzigen Zeitpunkt verfassungsrechtlich nicht für bedenklich. Der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 12/2022 vom 11. Februar 2022 ist aber zu entnehmen, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik einer doppelten dynamischen Verweisung bestehen. Denn § 20 a IfSG verweist auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und die ihrerseits verweist wiederum auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts. Die abschließende Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 20 a IfSG entscheidet das Bundesverfassungsgericht im Hauptsacheverfahren. Die im Eilverfahren durchgeführte Folgenabwägung rechtfertigt den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls nicht. Die drohenden Nachteile der klagenden ungeimpften Beschäftigten und Einrichtungsleiter, die ungeimpftes Personal weiter beschäftigen wollen, überwiegen in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere nicht diejenigen Nachteile, die bei einer vorläufigen Außerkraftsetzung der angegriffenen Regelung für vulnerable Menschen zu besorgen wären, so das Bundesverfassungsgericht.

Doch was bedeutet die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht, wer ist davon betroffen, wie erfolgt die Umsetzung und welche arbeitsrechtlichen Folgen resultieren daraus. Da die Anwaltskanzlei Dzerek diverse Anfragen zu dem Thema „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ erreichen, wollen wir die wichtigsten zehn Fragen beantworten.

Welche Einrichtungen und Unternehmen sind von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht betroffen?

Der Gesetzgeber hat die Einrichtungen und Unternehmen in § 20 a Abs. 1 IfSG abschließend aufgelistet, die von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht betroffen sind. Dies sind Einrichtungen und Unternehmen aus dem Gesundheitswesen wie bspw.:

  • Krankenhäuser
  • Tageskliniken,
  • Dialyseeinrichtungen,
  • Entbindungseinrichtungen,
  • Arzt- und Zahnarztpraxen,
  • Praxen von Heilpraktikern, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Hebammen,
  • Einrichtungen zur Betreuung alter, pflegebedürftiger oder behinderter Menschen, ambulante und stationäre Rehabilitationseinrichtungen,
  • Rettungsdienste

Welche Personen sind von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht betroffen?

Die einrichtungsbezogene Nachweispflicht erfasst alle Personen, die in einer Einrichtung oder einem Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich tätig sind. Entscheidend ist weder die konkrete Tätigkeit an sich noch ihre rechtliche Grundlage. Maßgeblich ist vielmehr, dass die betroffene Person die Tätigkeit in einer Einrichtung erbringt, in der Kontakt zu vulnerablen Gruppen besteht und diese Tätigkeit nicht nur zeitlich vorübergehend erbracht wird. Demnach ist es gleich, ob die betroffene Person auf Grundlage eines Arbeitsvertrages, eines freien Dienstverhältnisses oder als Praktikant oder ehrenamtlicher Helfer tätig wird.

Von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht sind insbesondere Pflege- und Betreuungspersonal, Handwerker, Hausmeister, Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal und externe Dienstleister erfasst.

Personen, die in der Verwaltung oder in technischen oder IT-Diensten, in der Leitung/Geschäftsführung tätig sind, fallen ebenso unter die einrichtungsbezogene Nachweispflicht, sofern keine klare räumliche Abgrenzung zu den in der Einrichtung behandelten, betreuten oder untergebrachten Personen besteht.

Gibt es Ausnahmen und wenn ja, welche Personen sind von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht ausgenommen?

Es gibt eine Ausnahme von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

Eine Ausnahme von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht aus religiösen Gründen hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Personen, die in einer der betroffenen Einrichtungen oder in einem betroffenen Unternehmen behandelt, betreut oder untergebracht sind, werden von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht nicht erfasst.

Was genau müssen die betroffenen Personen nachweisen?

Personen, die in einer von der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht erfassten Einrichtung oder einem solchem Unternehmen tätig sind oder in einer solchen Einrichtung ab dem 16. März 2022 tätig sein wollen, müssen

  • einen Impfnachweis oder
  • einen Genesenennachweis oder
  • ein ärztliches Attest über eine medizinische Kontraindikation vorlegen.

Unsicherheiten bestehen im Hinblick auf die Frage, welchen Inhalt das ärztliche Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation aufweisen muss. Aus dem ärztlichen Zeugnis sollte hervorgehen, dass bei der betreffenden Person eine Corona-Schutzimpfung aufgrund medizinischer Kontraindikation nicht möglich ist. In der Vergangenheit haben verschiedene Arbeitsgerichte entschieden, dass ärztliche Zeugnisse ohne Begründung für die Befreiung von der Pflicht zum Tragen eines Mund- Nasen Schutzes nicht ausreichend aussagekräftig sind.

Wie geht die betroffene Einrichtung bzw. das Unternehmen mit den vorgelegten Nachweisen um?

Die Vorlage der Nachweise und die Erfüllung der Pflicht nach § 20 a IfSG wird von der Einrichtung bzw. dem Unternehmen dokumentiert. Somit wird gleich vermerkt, dass der Status der Mitarbeitenden ordnungsgemäß kontrolliert wird. Die Kenntnisnahme der Daten durch unbefugte Dritte muss jedoch ausgeschlossen sein. Hierfür sind die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu treffen.

Sofern ein Mitarbeitender den Nachweis nicht erbringt oder Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit bestehen, hat die Einrichtungs- oder Unternehmensleitung das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung oder das Unternehmen befindet, unverzüglich zu informieren und die personenbezogenen Daten weiterzuleiten.

Zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ist das Verarbeiten der Gesundheitsdaten und Weitergabe an das zuständige Gesundheitsamt zulässig.

Was ist zu tun, wenn der erbrachte Nachweis im Rahmen der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht durch Zeitablauf seine Gültigkeit verliert?

Bei einem zeitlich befristeten Genesenennachweis kann es bspw. vorkommen, dass dieser durch Zeitablauf seine Gültigkeit verliert. Verliert ein erbrachter Nachweis seine Gültigkeit, dann muss die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Ablauf des bisherigen Nachweises einen neuen Nachweis vorlegen. Auch dies muss die betroffene Einrichtung bzw. das Unternehmen nachhalten und dokumentieren. Kommt die betroffene Person dem nicht nach oder bestehen Zweifel an der Echtheit des neuen Nachweises, muss die Einrichtungs- oder Unternehmensleitung auch hier eine entsprechende Mitteilung an das Gesundheitsamt vornehmen.

Was unternimmt das Gesundheitsamt nach einer entsprechenden Mitteilung über fehlende oder zweifelhafte Nachweise der Einrichtungs- oder Unternehmensleitung?

Das Gesundheitsamt hat die Aufgabe, den konkreten Fall zu prüfen und von der betreffenden Person Nachweise anzufordern. Bestehen Zweifel an der Echtheit eines ärztlichen Zeugnisses kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung anordnen. Kommt die betreffende Person den Anordnungen des Gesundheitsamtes nicht nach, kann das Gesundheitsamt der betreffenden Person ein Betretungs- bzw. Beschäftigungsverbot aussprechen. Zudem kann ein Ordnungsgeld verhängt werden. Derzeit ist jedoch fraglich, ob und inwiefern die Gesundheitsämter die erforderlichen Kapazitäten zur Erfüllung dieser Aufgaben haben.

Ab wann und wie lange gilt die Regelung?

Die betroffenen Personen, die in einer Einrichtung oder einem Unternehmen bereits tätig sind, die der Nachweispflicht unterfällt, müssen bis zum Ablauf des 15. März 2022 einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis erbringen.

Ab dem 16. März 2022 müssen Personen, die in einer entsprechenden Einrichtung tätig sein wollen, vor Aufnahme der Tätigkeit einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorlegen. Ohne Vorlage eines solchen Nachweises dürfen die betroffenen Personen ihre Tätigkeit nicht in der Einrichtung oder dem Unternehmen aufnehmen.

Die Regelung des § 20 a IfSG zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht ist befristet und gilt derzeit bis zum 31.12.2022.

Welche arbeitsrechtlichen Nachteile oder Konsequenzen drohen bei Nichtbeachtung?

Wenn ein Arbeitnehmer, der bereits vor dem 15. März 2022 in einer betroffenen Einrichtung oder einem betroffenen Unternehmen beschäftigt ist, der ordnungsgemäßen Nachweispflicht bzw. den Anordnungen des Gesundheitsamtes nicht nachkommt, kann dieser in der Einrichtung bzw. dem Unternehmen zwar weiter beschäftigt werden, doch droht durch das Gesundheitsamt die Anordnung eines Betretungs- und Beschäftigungsverbots.Spricht das Gesundheitsamt ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot aus, kann der Arbeitnehmer – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Homeofficetätigkeit – seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Ohne Arbeitsleistung gibt es aber auch keinen Lohn.

Der Arbeitgeber hat gegenüber den weiteren Mitarbeitern und den in den Einrichtungen jeweils betreuten Personen eine Fürsorgepflicht. Auch spielt die Sorge um seine Reputation eine Rolle. Vor diesem Hintergrund vermag ein Arbeitgeber eine Freistellung aussprechen, wodurch die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten suspendiert werden können. Im Falle einer wirksamen Freistellung muss der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen, verliert aber auch hier seinen Lohnanspruch.

Die Nichterbringung eines nach § 20 a IfSG geforderten Nachweises kann u.U. eine Abmahnung rechtfertigen, wenn die Nichtvorlage als Verstoß gegen eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag verstanden wird. Die Abmahnung kann im schlimmsten Fall die Vorstufe einer verhaltensbedingten Kündigung begründen.

Weigert sich der Arbeitnehmer beharrlich, einen Nachweis über eine Impfung oder seinen Genesenenstatus oder über eine medizinische Kontraindikation zu erbringen und besteht daher ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot, ist nicht auszuschließen, dass eine personenbedingte Kündigung ausgesprochen wird. Denn der Arbeitnehmer erfüllt ohne Nachweis die Tätigkeitsvoraussetzung zu seiner Berufsausübung nicht. Die Situation kann mit den Fällen verglichen werden, in denen ein Kraftfahrer seinen Führerschein oder der Pilot seine Fluglizenz verliert. Maßgeblich wird dann darauf abzustellen sein, ob in dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht damit gerechnet werden konnte, dass der Arbeitnehmer die erforderliche Erlaubnis in absehbarer Zeit erhält (sog. Negativprognose). Angesichts des Umstandes, dass die Nachweispflicht des § 20 a IfSG derzeit bis zum 31.12.2022 befristet ist und die Kündigung immer nur das letzte Mittel sein darf, wird es unter Berücksichtigung der konkreten Kündigungsfristen letztlich vom Einzelfall abhängen, ob eine wirksame personenbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann.

Es bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte arbeitsrechtliche Konsequenzen in dem jeweiligen Einzelfall bewerten.

In diesem Zusammenhang sind in der Folge die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen nicht außer Acht zu lassen. Es ist nicht auszuschließen, dass zumindest nach Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung im Zusammenhang mit der unterlassenen Nachweispflicht eine Sperrzeit von max. 12 Wochen bei der Agentur für Arbeit droht.

Drohen Ordnungsgelder?

Ja. Nach § 73 Abs. 1a) Nr. 7 e-h, Abs. 1, 1. HS. IfSG können Verstöße gegen die Nachweispflicht des § 20 a IfSG mit einem Ordnungsgeld von bis zu 2.500,00 Euro geahndet werden.

Kommen betroffene Personen der Anordnung des Gesundheitsamtes nicht nach und legen einen Nachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vor, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden.

Gegen betroffene Einrichtungen und Unternehmen kann ein Ordnungsgeld verhängt werden, wenn sie das Gesundheitsamt nicht unverzüglich über die am 15. März 2022 noch nicht vorliegenden Nachweise oder über Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises informieren. Ein Ordnungsgeld kann auch dann drohen, wenn das Gesundheitsamt nicht unverzüglich über die ausgebliebene Vorlage eines neuen Nachweises nach Ablauf eines vorhergehenden Nachweises informiert wird.

Lässt eine betroffene Einrichtung oder ein betroffenes Unternehmen eine Person, gegen die das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, weiter tätig sein, kann ebenfalls ein Ordnungsgeld verhängt werden.

Lässt eine betroffene Einrichtung oder ein betroffenes Unternehmen eine Person ab dem 16. März. 2022 erstmalig tätig werden, obwohl diese vor Aufnahme der Tätigkeit keinen erforderlichen Nachweis erbracht hat, droht ebenfalls ein Ordnungsgeld.

 

Die einrichtungsbezogene Nachweispflicht kann arbeitsrechtlich zahlreiche weitere Fragen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufwerfen und zu neuen, zum Teil rechtlich nicht entschiedenen Problemstellungen führen. Besonnenheit ist angesagt, wenn es um das Arbeitsverhältnis geht. Bevor falsch oder überreagiert wird, empfehlen wir Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sich wegen der evtl. erheblichen, finanziellen Folgen fachanwaltlich beraten zu lassen.

Die Arbeitsrechtsexpertin Silvana Dzerek, langjährige Fachanwältin für Arbeitsrecht, können Sie für einen Beratungstermin wie folgt kontaktieren:

Kontakt: dzerek@kanzlei-dzerek.de